Samstag, 19.03.2005

Begehung der Trasse
für die geplante Bundesfernautobahn A66 und das Autobahnkreuz Frankfurt Ost A66/661
BUND und AUA informierten über Auswirkungen

Rund 50 Teilnehmer trotzen dem Regenwetter und folgen der sechs Kilometer langen Trasse für die größtenteils offen geplante, sechs- bis achtspurige Bundesfernautobahn A66 Wiesbaden-Frankfurt–Fulda quer durch den Frankfurter Osten, Richtung Friedberger Landstraße.

Am heutigen Autobahnende der A66 beim Hessen-Center macht Friedhelm Ardelt-Theeck, Sprecher des Aktionsbündnis Unmenschliche Autobahn, auf die drastische Verkehrszunahme und den zusätzlichen nächtlichen Transitverkehr nach Bau des Riederwaldtunnels aufmerksam.
Dies wird zu einer völligen Verlärmung von ganz Bergen-Enkheim einschließlich Enkheimer und Fechenheimer Wald führen. Die Planungsbehörde habe aber im Rahmen der Anhörung 2003 deutlich gemacht, dass auch eine Vervierfachung der Verkehrsbelastung keinen Lärmschutz rechtfertige, da dieser Bereich außerhalb des Planfeststellungsgebiets läge.

Vorbei an der riesigen neuen Anschlusstelle (AS) Borsigallee, mit ihren Auf- und Abfahrtsrampen in alle Richtungen am P&R-Parkhaus in Höhe Kruppstraße, geht es weiter zum Teufelsbruch. Die Teilnehmer der Exkursion stehen auf dem Spazierweg unter hohen Pappeln.
"Genau hier neben dem Spazierweg wird der ca. 1 km lange Riederwaldtunnel enden und extreme Abgaskonzentrationen direkt in den Teufelsbruch und das angrenzende Wohngebiet Fechenheim-Nord blasen", erläutert Volker Rothenburger, ehrenamtlicher Mitarbeiter vom Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland (BUND), den betroffenen Teilnehmern.
Ursprünglich sollte der Tunnel erst an der Borsigallee beginnen. Für die Spaziergänger wäre nur ein schmaler Pfad am Rande der offenen Autobahn verblieben. Auch wenn auf dem Tunnel keine Bäume mehr wachsen könnten, seien die Tunnelverlängerung und die Lärmschutzwände ein Erfolg der Einwendungen von BUND und Bürgerinitiativen.
AUA-Sprecher Ardelt-Theeck von der Bürgervereinigung Nordend e.V. lenkt die Blicke auf die angrenzende städtische Kindertagesstätte 75 in der Lauterbacher Straße. Heute gibt es hier noch Ruhe und saubere Luft. Kommt der Tunnel, liegt dieser Kindergarten mitten in Lärm und Gestank. Doch die Stadt schaut tatenlos zu.

Auf dem Weg in den Erlenbruch überqueren die Teilnehmer die Borsigallee und die Industriegleise, welche gerade endgültig herausgerissen werden. Ardelt-Theeck verweist auf die Lahmeyerbrücke, für deren Sanierung niemand aufkommen wolle: "Statt Güter auf die Schiene werde die Autobahn gebaut und der Verlagerung auf die Straße Vorschub geleistet", kritisiert er.

An einem Infostand an der Ecke Schäfflestraße/Erlenbruch, den viele Riederwälder noch zu Einwendungen nutzen, lädt das Aktionsbündnis Unmenschliche Autobahn zu einer kurzen Pause mit Kaffee und Kuchen ein. Der Regen hat inzwischen aufgehört. Anschließend in Höhe der künftigen westlichen Tunnelausfahrt am Riederwaldstadion von Eintracht Frankfurt legt BUND-Fachmann Rothenburger die Originalpläne des Amts für Straßen- und Verkehrswesen auf die Rasenfläche des Erlenbruch-Grünzuges.
Die Pläne suggerierten, dass nach dem Bau des Riederwaldtunnels alles wieder Grün werde. "Die natürliche Parkanlage mit den prächtigen Bäumen, Sträuchern und Rasenflächen im Zuge des alten Mainarms, würden bis auf eine Baumreihe entlang der Wohnhäuser unwideruflich dem Tunnel zum Opfer fallen", zeigt Volker Rothenburger auf dem "Bestands- und Konfliktplan". Wie schon am Teufelsbruch kann auch hier bei einer Erdschicht von nur 40 bis 80 cm auf der Tunneldecke hinterher kein neuer Großbaum mehr wachsen.
Was im Plan als Rasenfläche erscheint, entpuppt sich in Wahrheit als begrünter Schotterrassen der U-Bahngleise. Übrig bleibe nur noch eine reine Verkehrsachse.
Rothenburger weist auf die besondere Bedeutung des zum Frankfurter Grüngürtel gehörenden natürlichen Grünzuges als Leitlinie für Fledermäuse und Spechte hin. Werden die hohen Bäume und Großsträucher gefällt, wird auch die Biotopvernetzung zwischen Fechenheimer Wald und Bornheimer Hang zerschnitten. Das gefährde die Populationen von streng geschützten Arten gemäß der europäischen FFH-Richtlinien, so der Landschaftsplaner Rothenburger. In diesem Zusammenhang kritisiert er heftig, dass der hiesigen Bevölkerung ein für städtische Verhältnisse einmaliges Grüngebiet zugunsten eines gigantischen Autobahnkreuzes zerstört werde, ohne für den gesetzlich vorgeschriebenen Ausgleich in der Nähe des Natureingriffs zu sorgen. Anstatt Grüngebiete zu optimieren, Waldflächen in naher Umgebung aufzuforsten oder neue Biotope anzulegen, verweist die Straßenbauverwaltung auf Maßnahmen in Sossenheim, Schwanheim und Rodgau-Weiskirchen.

Dann wird der Blick auf eine Isophonkarte gelenkt. Sie demonstriert die enorme Lärmbelastung, die von der Tunnelausfahrt mitten im Erlenbruch und den offengeführten Rampen am Autobahndreieck ausgeht. Entlang der gesamten Wohnbebauung zwischen Schäfflestraße und A661 wird in fast allen Stockwerken der Nachtgrenzwert überschritten. Den Betroffenen sollen aber nur Schallschutzfenster für die Schlafzimmer zugestanden werden. "Ab 22 Uhr müssen Sie sich dann im Schlafzimmer aufhalten, wenn Sie Ruhe wollen", stellt Ardelt-Theeck sarkastisch fest. Gerade im Hinblick auf den Sommer 2003 seien geschlossene Fenster unzumutbar.
Vom extremen Lärm und Schadstoffausstoss am westlichen Tunnelende sind auch die Pestalozzischule sowie die Kindertagesstätten 26 und 63 in der Vatterstraße ganz massiv betroffen.

Doch Ardelt-Theeck warnt, dass die Lärm- und Schadstoffbelastungen viel höher sein werden, als offiziell berechnet. Einerseits gäben die vorgenommenen Berechnungen nicht die Wirklichkeit wieder: Beschleunigungsvorgänge an den Steigungsstrecken und Auffahrtsrampen sowie überhöhte Geschwindigkeiten oder Staus und Inverstionswetterlagen kämen in den Untersuchungen nicht vor. Andererseits seien die zusätzlichen Verkehrsmengen nach Realisierung des Alleentunnels bzw. der geplanten Autobahnspange ins Nordend ohne einen Hinweis in den neuen Berechnungen nicht mehr enthalten. Auf diese Weise habe man die Lärmimmissionen um bis zu 5 dB heruntergerechnet. Dies sei "arglistige Täuschung" und grenze schon an mutwilliger Körperverletzung, meinte Ardelt-Theeck.
Er verwies dabei auf den unmittelbaren Zusammenhang zwischen Riederwaldtunnel und Alleentunnel. Beide bedingten sich gegenseitig. Würde der Riederwaldtunnel einfach so an die A661 angeschlossen käme es zu einem Verkehrschaos. Das wüssten die Planer trotz gegenteiliger Behauptung ganz genau. Deshalb rechne man bei einem Planfeststellungsbeschluss für den Riederwaldtunnel auch für die sogenannte Autobahnspange ins Nordend zum Alleenring mit Sofortvollzug.

Danach geht die Trassenwanderung weiter entlang des neuen U-Bahnbetriebshofs unter der Seckbachtalbrücke der A661 hindurch. Ardelt-Theeck zeigte mit Blick nach Süden auf die schon vorhandenen Widerlager: "Hier wie auch neben dem FSV-Stadion über den Erlenbruch kommen dann die neuen Brücken für die vorgesehene zweite vierspurige Fahrbahn der Ostumgehung hin und dazwischen entsteht das Autobahndreieck Erlenbruch."
Die 4m hohe Lärmschutzwand entlang der Westseite des Dreiecks ist nur für den Schutz der Hallgartenschule vorgesehen und geht nur bis zum Anfang der Seckbachtalbrücke.
"Hier hört das Planfeststellungsgebiet auf: Bornheim bekommt keinen Lärmschutz", betont Ardelt-Theeck und zitiert den Frankfurter Baudezernenten Franz Zimmermann, dass es keinen Ausbau der Ostumgehung geben dürfe, ohne ausreichenden Lärmschutz für Bornheim. Man werde ihn beim Wort nehmen, erklärt er.
"Im FSV-Stadion wird kein Fußballspiel mehr stattfinden können. An Leistungssport, direkt neben dem Autobahndreieck Erlenbruch mit seinen extremen Schadstoff- und Lärmemissionen, ist mit Blick auf die geltenden EU-Richtlinien dann nicht mehr zu denken." Noch nicht mal eine Lärmschutzwand für das Stadion sei vorgesehen, obwohl man schon heute den Schiedsrichterpfiff oft nicht hören könne.
Auch an der Hallgartenschulen wird ein ordnungsgemäßer Unterricht nicht mehr möglich sein und all die vielen Kleingartenanlagen werden mit Sicherheit geschlossen werden.
Der AUA-Sprecher stellt klar: "Am Frankfurter Kreuz dürfen weder Wohngebiete ausgewiesen werden noch Schulen, Kindergärten, Krankenhäuser, Kleingartenanlagen oder Sportplätze errichtet werden. Aber hier soll das Autobahnkreuz der A66 und A661 mitten hinein in ein intaktes Wohngebiet geklatscht werden." Die einzige Lösung wäre die vollständige Einhausung.

Zum Schluss ging es vom Fuße des Bornheimer Hangs nun bergauf entlang der A661 zum Seckbacher Dreieck. Lärmschutzmaßnahmen werden immer erst nach Einwendungen und Klagen zugestanden, kommentiert Ardelt-Theeck, der sich nur unter zur Hilfenahme eines Megaphons verständlich machen kann, das extrem laut dröhnende seitlich offene Galleriebauwerk bei Seckbach sowie die gewölbte, mit 6,50 m höchste Lärmschutzwand Deutschlands entlang der Seckbachtalbrücke.

Von der Brücke der Heinz-Herbert-Karry-Straße schauen die Teilnehmer abschließend zunächst hinunter auf die bereits trassierte zweite Fahrbahn der Ostumgehung, um dann den Blick nach Westen in Richtung Bornheimer Friedhof zu wenden. "Hier ist das Autobahndreieck Seckbach geplant. Der hohe Lärmschutzwall nördlich des St.Katharinen-Krankenhauses zeichnet bereits den Verlauf der geplanten Alleentunnel-Zufahrt vor. Deren Trasse verläuft in einem offenen Trog unter der Dortelweiler Straße am Bornheimer Friedhof und dem Günthersburgpark vorbei bis zur Friedberger Landstraße", erläutert Ardelt-Theeck die bereits seit 25 Jahren planfestgestellte Planung.
Als eine Teilnehmerin bemerkt, es stinke hier ja jetzt schon unerträglich, erwidert Ardelt-Theeck mit Blick auf das Fußballspiel zweier Frauenteams auf dem neuen Kunstrasenplatz der SG Bornheim durch das laut aufgedrehte Megaphon: "Die jetzige Autobahn mit ihrem Baustellencharakter ist ein Witz gegen das was geplant ist. Kommt der Riederwaldtunnel, wird es hier in 7 Jahren kein Fußballspiel mehr geben, deshalb sollte die SG Bornheim bis 21.März Einwendung einlegen." Betroffen halten die Fußballspielerinnen für einige Sekunden inne und schauen herüber.

Volker Rothenburger Projektbeauftragter des BUND-Hessen
Friedhelm Ardelt-Theeck Sprecher des Aktionsbündnis Unmenschliche Autobahn